8.April 2010
Letzte Woche hatte ich auf der homepage der Stadtverwaltung in einer Auflistung zum Verkauf angebotener alter Häuser ein recht gut aussehendes altes Bauernhaus (44 Jahre) gesehen und für heute über den Sachbearbeiter der Stadtverwaltung einen Termin ausgemacht.
Als wir das Innere des Hauses betraten, in Anwesenheit des Stadtmitarbeiters und des Maklers, mussten wir beide erst mal schlucken: Nachdem der letzte Einwohner, eine älterer, gebrechlicher Landwirt zu seinem Sohn gezogen war, hatte es keiner der Angehörigen für nötig gehalten im Haus aufzuräumen oder unbrauchbare Sachen wegzuwerfen. Es kam einem so vor, als hätte der Bewohner das Haus einfach so verlassen, vielleicht gerade vor einigen Tagen, und wäre dann ganz ungeplant nicht wieder zurückgekommen. Das war aber in Wirklichkeit schon einige Jahre her, wie die Wandkalender zeigten, die als letzte aufgeschlagene Seite den November von 2006 hatten. Und es waren natürlich auch etliche Spinnweben und Staub dort, nur vermindert durch die Tatsache das wir nicht die ersten Kaufanwärter waren.
Die Besichtigung des Obergeschosses bestätigte was der Makler schon gesagt hatte: es war schon etliche Jahre nicht benutzt worden, zum einen weil die Treppe dem Opa zu schaffen gemacht hatte und zum anderen weil es nicht notwendig gewesen war, denn im Erdgeschoss war Platz genug für eine einzelne Person, insgesamt 6 Räume, teilweise nur durch Schiebetüren getrennt, teilweise aber auch richtige einzelne Räume für sich, dazu die Küche, Toilette und Bad. Letzteres stellte sich als sehr "fortgeschrittenes" Hybrid-Modell heraus: Ursprünglich wurde das Wasser von einem kleinen Holzofen angeheizt, der in der Garage hinterm Bad stand. Später wurde dann ein Ölheizer angeschlossen, aber ohne den Ofen abzutrennen so das jetzt beide Arten möglich sind.
Zur Südseite des Hauses ist ein kleiner Garten im Japanischen Stil mit Wasserbecken und einigen Felsen drumherum angeordnet. Dann weiter das "Kura", ein brandsicher gebautes Gebäude mit dicken Lehmwänden, schwerer doppelter Eingangstür und nur kleinem Fenster. Hierin wurden früher besondere Familienerbstücke und kostbare Kunstwerke gelagert die nur an besonderen Feiertagen ans Licht geholt wurden. Leider konnten wir dieses nicht in Augenschein nehmen, da die Tür verschlossen war und der Makler den Schlüssel nicht dabei hatte. Direkt daneben war ein kleines Gebäude angeschlossen mit zwei Zimmern im Obergeschoss, augenscheinlich für Erntehelfer. Die Wandschränke waren dementsprechend voll mit Bettwäsche. Und auf dem Fußboden "Hinterlassenschaften" der Bewohner der letzten Jahre: Rattenkoedel! Im Erdgeschoss dann neben Abstellkammer die Toilette, ein sehr gängiges Teil aus früheren Zeiten auf dem Land: Eine Innentoilette im Haus und eine Aussentoilette, oft genug auch nur ein Pinkelbecken in einer Ecke an der Aussenwand angebracht für tagsüber damit "Mann" nicht während der Arbeit erst umständlich den Staub abschütteln und die Schuhe ausziehen musste.
Da es sich um einigen richtigen Bauernhof handelte, war hier aber längst noch nicht Schluss: Einmal um das Haupthaus gehend fanden wir an der Nordseite einen grossen verwilderten Gemüsegarten, einen alten Schuppen, ein etwas größeres Gebäude, einfach gebaut und stark vernachlässigt, welches das erste Wohnhaus der Bauernfamilie gewesen war und nach dem Neubau dann als Trockenkammer benutzt wurde. Dazu dann noch ein kleiner Holzschuppen mit viel Brennholz und ein kleiner Hühnerstall, so ziemlich die einzigen Nutztiere die Bauern sich früher hielten.
Das Hauphaus wurde vor einigen Jahren ein wenig renoviert, doppelglasige Fenster an der Südseite, einen neuen Aussenanstrich dazu, aber das war es dann schon ziemlich gewesen. Innerhalb dieser Wohnung habe ich mindestens drei Fernseher in verschieden Grössen gesehen, einige Reiskocher und ca ein halbes Dutzend Ölheizer, aber alle in derartigem Zustand das ich es nicht wagen würde sie wieder benutzen zu wollen. Überhaupt würde wohl ca 99 % der Inneneinrichtung auf dem Müll, oder im Recycleshop landen, denn das Geschirr wieder zu benutzen würde doch ein ziemlich komisches Gefühl hervorrufen. Und Bettwäsche, Futon, Kleidung sowieso. Bei Kimono könnte ich mir evtl vorstellen, den Stoff wiederzubenutzen für andere Stücke, aber wohl nicht als Kleidung!
Wie geht es jetzt weiter? Als erstes versuchen, einen Kredit zu bekommen, was noch völlig offen ist, da das Haus in dem Alter und der abseits gelegenen Lage keine Wertanlage wie ein neues Haus darstellt, dazu noch der Schwangerschaftsurlaub von Hiromi ab September und mein Beruf im Restaurantsevicebereich stellt auch kein garantiertes Einkommen dar.
Auf der anderen Seite handelt es sich nicht um einen derart grossen Betrag, und immerhin hat das Grundstück auch eine gute Grösse. Sollte der Kredit geklärt werden können, gehts los mit Sanierungsfirma finden, welche flexibel genug im Denken ist um sich mit meiner unjapanischen Denkart und meiner Eigenrenovierungsidee anfreunden können. Und den ganzen Müll müssen wir ja auch loswerden. Beauftragen käme das auf ca 5000 Euro, nicht gerade wenig. Aber auch bei Eigenentsorgung fallen verschiedene Beträge an, Sperrmüll, Sondermüll, Entsorgegebühren für die Haushaltsgeräte etc.
20. April
Gestern hat Hiromi sich mit der Bank getroffen - mit gemischten Erfolgen. Es handelt sie hierbei um eine der großen Banken in Tokyo, die Hausbank ihrer Firma, mit der es einen sehr günstigen Zinssatz geben würde, besser als wenn wir eine der lokalen Banken hier benutzen.
Es gab zumindestens kein Nein, aber doch verschiedene Bedenken. Der nächste Schritt ist vom Haus verschiedene Unterlagen zu beschaffen, die Aussage über den Zustand geben. Dann wird ein Mitarbeiter sich vor Ort das Stück mit eigenen Augen ansehen und ein dementsprechendes Urteil geben. Ein Schwachpunkt, der das ganze ins Kippen bringen könnte, hat dabei nicht einmal was mit dem Haus zu tun: die Anfahrtsstrasse ist sehr schmal, kaum mal 3 Meter breit mit Mauern an beiden Seiten, und die Bank könnte sagen, das die Feuerwehr nicht schnell genug an das Haus rankommen kann (oder auch Nachbarhaus"?) im Falle eines Brandes.
Es wird also noch einige Zeit vergehen, vor allem da ab 29. April die "Goldene Woche" anfängt, mehrere mehr oder weniger zusammenhängende Feiertage, d.h. eine Antwort wird wohl erst ca Mitte Mai erfolgen.
Sollte es mit dieser Bank nicht klappen, werden wir eine der örtlichen Banken versuchen, die schon eher bereit sind auch auf alte Häuser eine Hypothek zu geben, wenngleich auch mit etwas höherem Zinssatz (bei Hiromi's Hausbank waren es für wechselnden Zinssatz unter 2 %). Großes Problem hierbei könnte die Tatsache sein, das Hiromi schwanger ist und demnächst einen, unbezahlten, Schwangerschaftsurlaub von ca 1 Jahr nimmt.
22. April
Gestern war mein freier Tag und ich nutzte die Gelegenheit, mich nochmal beim Haus umzusehen, verschiedene Kleinigkeiten, die uns eingefallen waren. Denn bei der eigentlichen Hausbesichtigung war ich dermaßen mit Gucken beschäftigt, das ich das Fotografieren ganz vergessen hatte. Es war richtig schönes Wetter, auch wenn es schön früher Abend war, als ich ankam.
(Bild 1)Die Südseite. Links neben dem Eingang ist noch ein kleiner Raum, verdeckt hinter der Kiefer, den wir zu einem großen Eingangsbereich mit großem Schuhschrank und Mantelgardrobe umbauen wollen. Und natürlich auch genug Platz um den Kinderwagen abzustellen.
Der Felsen unter der Kiefer ist riesig, ca 1.5m im Durchmesser und 1.2 m hoch! Und am kleinen Teich ist noch so ein ähnliches Stück. Dieser Teil ist richtig gut renoviert worden, mit Doppelglass und neuer Regenrinne, im verwilderten Garten blühen einige Blumen, und unter der Dachtraufe ist gerade eine Rauchschwalbe emsig dabei, ihre "Sommerresidenz" zu bauen, ähnlich wie es hier auch in Karuizawa langsam losgeht, ältere Ehepaare, die sich im Hausmarkt mit allen möglichen Kleinigkeiten für Küche und Toilette eindecken, Familien, die im Supermarkt vollgeladene Einkaufswagen herumbugsieren...
Bild 2) Die Nordseite, Rückansicht des Haupthauses. Hier sieht es schon wilder im Garten aus, schon länger nicht mehr benutzt eben. Rechts schließen sich Nebenräume mitToilette, Bad und Garage an. Im Inneren Eck habe ich später vor einen Wintergarten anzubauen, mit kleinem Kanonenofen, um die Lage Nordost etwas auszugleichen, Abendsonne ist nix.
(Bild 3)Lagerschuppen an das "Kura", Tresorspeicher angebaut mit 2 Zimmern oben für Landarbeiter. Hinten links Speisekammer mit eingemachtem Gemüse, von vor ca 4 Jahren! Rechts im Bild die "Arbeitertoilette", mit Pinkelbecken außen angebracht...Ansonsten viele Utensilien: verschiedenste Feldarbeitsgeräte, Mühlsteine (zum Handdrehen, deswegen klein), und Öltonne; also viel Müll, aber auch viele "Schätze"
Der Zustand des Haupthauses ist wirklich nicht schlecht: das Dach sieht noch sehr gut aus, und auch unter dem Boden sieht es nach guter Bauausführung aus, winkliges Holz auf ordentlichen Betonsockeln, wie ich durch eine seitliche Unterlüftungsöffnung sehen konnte.
Aber die beiden nördlichen Nebengebäude sind wirklich heruntergekommen; einfach schon von der Bauart her und dann wohl schon 10 Jahre oder so nicht mehr benutzt. Eins davon wollen wir ja "gleich" abreissen, sobald es drinnen im Erdgeschoss einigermassen wohnlich ist, dh so über den Winter, dann könnten wir das für einen grösseren Gemüsegarten benutzen und dicht am Haus einen Rasen machen im nächsten Frühjahr.
Nächster Schritt: Wir wollen uns noch ein Gutachten machen lassen von einer unabhängigen Firma über die Bausubstanz, also wie gut es unterm Haus aussieht, evtl Termitenbefall, Erdbebensichertheit etc. Gleichzeitig haben wir beim Makler aber auch verschiedene Unterlagen über das Haus angefordert, welche die Bank haben möchte.
29.April
Es steht fest: dieses Haus werden wir nicht kaufen. Der Grund ist das die ehemaligen Besitzer den Hausbau nicht ordnungsgemäss angemeldet hatten: im Grundbuch ist immer noch das vorherige Haus gelistet. Eine Registrierung würde ca 5.000 Euro kosten, und der jetztige Besitzer, einer der Söhne, hat das Geld nicht, oder will es nicht vor Verkauf ausgeben! Und der Makler wills natürlich auch nicht auslegen. Aber ohne diese Unterlagen fängt die Bank gar nicht mit der Kreditbeurteilung an! Dazu kommt noch das wohl keine Architektenpläne zur Hand sind, auch noch etwas das die Bank haben will. Und der Makler benimmt sich wie es weit verbreitet auf dem Land ist: etwas eingebildet und unfreundlich nach dem Motto "die wollen was von mir, nicht ich von denen" während Hiromi natürlich die Einstellung hat, wir bezahlen viel Geld, also sollten wir freundlich behandelt werden. Und schliesslich wollen wir die Unterlagen ja nicht für uns, sondern die Bank fragt danach. Und es sind auch keine exotischen Sonderwünsche, sondern allgemeine Unterlagen! Aber überhaupt scheinen die Banken auf dem Land in Dingen nicht so streng zu sein, sagt der Makler jedenfalls. Da würde ein Grundbucheintrag auch nach dem Kauf in Ordnung gehen. Aber die Firmenbank in Tokyo bietet nun mal den besten Kreditsatz, 1,075%, während das beste hier in der Gegend mindestens bei 1,2 % liegt. Das kommt bei 20 Jahren Laufzeit nur auf einge Tausend Euro, aber wichtiger als das ist die Ungewissheit, ob es bei Hiromis Schwangerschaft klappen würde.
Am Ende hatte der Bankbeauftragte direkt mit dem Makler telefoniert und dann den Kredit abgelehnt. Die fehlenden Papiere waren aber nicht der einzige Grund:die Anfahrtsstraße ist sehr schmal (ca 2,5m) was nicht mehr den modernen Feuerbestimmungen etspricht.
Hiromi war es sowieso zu ungewiss, es ist ja auch schliesslich kein kleiner Betrag, um den es da geht. Ich selbst bin da ja eher gelassen, vertrauensvoll, wenn der Makler das so sagt (und der von der Stadtverwaltung sagt auch so ähnliches), das kommt wohl öfter vor bei alten Häusern. Es stellt sich dann die Frage, wie siehts beim nächsten Haus aus, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit das wir wieder die gleiche Situation vorfinden?
Dieses Haus ist zwar nicht gerade Traumlage und erfordert viel Arbeit,aber Traumlage gibt es sowieso nicht für unser Budget und viele alte Leute lassen eher ihr nicht mehr benutztes Haus jahrelang leerstehen als das sie verkaufen, weil sie sich nicht vom Grundstrück trennen wollen. Und da es in der Ecke noch gut ein Dutzend mehr alte Häuser gibt, könnte es ja sein, das sich noch ein paar Gleichgesinnte zusammenfinden und eine kleine Gemeinde entsteht. Außerdem ist das Grunstück nicht nur groß sondern auch langgestreckt, so das es sogar mal möglich sein könnte ein Stück zu verkaufen, oder noch ein Haus drauf zu bauen.